Was ist Catcalling?
Pfeif- oder Kussgeräusche, aufdringliche Blicke, anzügliche Sprüche auf offener Straße oder übergriffige Nachrichten auf Social Media wie „Hey, geiler Arsch“ oder „Komm doch mal rüber, mit mir ist es nachts immer lustig“: Dies sind noch eher harmlose Beispiele für die recht niedliche Bezeichnung „Catcalling“. Der Begriff stammt aus der englischen Umgangssprache und bedeutet in etwa „Katzen-Rufen“. Es kann auch verstanden werden, als das unerträgliche Geschrei verliebter Kater. Darunter werden alle sexuell konnotierten Verhaltensweisen (verbal oder non - verbal) bzw. verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt im öffentlichen Raum zusammengefasst.
Alltäglicher Sexismus ist ein Massenphänomen. Derzeit erleben (nach Selbstauskunft) 44 Prozent aller Frauen in ihrem Alltag sexistische Übergriffe – 14 Prozent mehrmals im Monat. Unterschätzt wird, dass mit 32 Prozent auch ein erheblicher Teil der Männer von Sexismus im Alltag betroffen ist. Mehr als jeder zehnte Mann (11 Prozent) erlebt Sexismus mehrmals im Monat. Auch jene, die selbst nicht betroffen sind, nehmen in ihrem Alltag Sexismus wahr. (Quelle: Sexismus im Alltag, BMFSFJ).
Dabei sind FLINTAS - Frauen, Lesben, Inter-, Non-Binäre, Trans- und Agender-Personen ebenso wie queere Menschen besonders betroffen, wobei Belästigungen zumeist von cis-Männern ausgehen (eine Person, die sich als männlich identifiziert und der bei der Geburt das Geschlecht männlich zugewiesen wurde).
Es sorgt dafür, dass betroffene Personen beginnen, Bereiche im öffentlichen Raum zu meiden und sich nicht mehr unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen.
Catcalling als eine Ausprägung des Alltagssexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, es geht um patriarchalische Strukturen im öffentlichen Raum und um Stereotypen.
Die Istanbul-Konvention und die UN-Frauenrechts-Konvention sind Instrumente zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen – und Alltagssexismus ist eine Menschenrechtsverletzung insbesondere eine Frauenrechtsverletzung, weil er herabwürdigend ist und unter Umständen schlimme Folgen für Betroffene haben kann.
Oftmals sind es jüngere Frauen, die auf diese Weise belästigt werden. Belästigungen auf der Straße wirken sich bei Betroffenen körperlich und emotional aus: Sie berichteten von Symptomen wie Muskelverspannungen, Atembeschwerden, Schwindel und Übelkeit sowie starker Angst beispielsweise vor Vergewaltigung oder davor, die eigene Privatsphäre nicht schützen zu können.
„Sexismus ist in der alltäglichen Wahrnehmung, Deutung und Wertung der Frauen und Männer ein unbestimmter Begriff, der gleichzeitig Assoziationen in viele Richtungen erzeugt und mehrdimensional ist: Das betrifft die verschiedenen Erscheinungsformen (unter anderem Face-to-Face, online über E-Mails und digitale soziale Netzwerke, telefonisch, in der Werbung) sowie unmittelbare und mittelbare, persönliche und strukturelle Arten von Sexismus, abhängig von Situationen und sozialen Kreisen. Gemeinsam in den Bestimmungen von Sexismus ist die Herabwürdigung der konkreten Person in ihrer Geschlechtsidentität, die Objektivierung und Instrumentalisierung eines Subjekts, dem Würde und Souveränität genommen werden“ (Quelle: BMFSFJ, Sexismus im Alltag).
Rechtlicher Rahmen
Als meist berührungslose, aber unzumutbar aufgedrängte Sexualität ist es derzeit noch kein eigener Straftatbestand bzw. keine Ordnungswidrigkeit. Catcalling ist weder ein Einzelschicksal bestimmter Frauen oder Mädchen, noch etwas was nur in bestimmten Städten/Stadtteilen vorkommt. Jede Frau und jedes Mädchen oder andere marginalisierte Gruppen (s. o.) kann betroffen sein und es kann überall geschehen, auch in der persönlichen Nachbarschaft. Catcalling ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das davon betroffene Personen einschränkt sich frei und unbehelligt zu bewegen.
In einigen Ländern wie Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Portugal gibt es spezifische Gesetze gegen Catcalling. In Deutschland kann Catcalling nur dann verfolgt werden, wenn damit eine Beleidigung verbunden ist, oder wenn zusätzlich eine sexuelle Berührung stattgefunden hat (§ 184i StGB). Ansonsten fällt es unter die allgemeine Belästigungsgrenze. Die Durchsetzung von Regelungen oder Sanktionen ist oft schwierig, da es meistens um verbale Äußerungen geht, welche schwer zu beweisen sind.
Hierfür ein Beispiel:
„Ich will an deine Muschi fassen“, oder: Kein sexueller Missbrauch und keine Beleidigung
so urteilte der BGH in dem Fall eines zur Tatzeit 65-jährigen Angeklagten. Dieser traf am 7. November 2016 auf offener Straße auf die ihm unbekannte 11-jährige K. und forderte das Kind auf, mit ihm zu kommen. Als das Mädchen dieser Aufforderung nicht nachkam, folgte er ihr und äußerte, dass er mit ihr spazieren gehen wolle, „weil er an ihre Muschi fassen wolle“. Auf diese einmalige Äußerung des Angeklagten rannte das Kind davon.
Dennoch hat Sexismus Folgen: Er kann zu ungleicher Chancenverteilung und zu sexueller Belästigung bis hin zu Gewalt führen. Der Übergang von Sexismus zu sexueller Belästigung ist fließend – und ist damit auch ein Nährboden für Gewalt.
Seit dem 01. Januar 2024 hat das Land Niedersachsen den Vorsitz der 95. Justizministerkonferenz (JuMiKo) übernommen.
Die Nds. Justizministerin Wahlmann plant eine Bundesratsinitiative für eine entsprechende Gesetzesänderung im Hinblick auf Catcalls. Künftig solle in Deutschland nicht nur körperliche, sondern auch verbale sexuelle Belästigung eine Straftat sein. Die nächste JuMiKo findet am 05. Und 06. Juni 2024 statt.
Hier ein Interview von Frau Wahlmann mit dem Deutschlandfunk:
Bundesweiter Aktionstag gegen Catcalling - #keinkompliment
Der Bundesweite Aktionstag gegen Catcalling findet am zweiten Freitag im Juni statt.
Deutschlandweit haben sich über 40 Kommunen und Landkreise zusammengetan und machen in einer gemeinsamen bundesweiten Aktion auf die Auswirkungen von Catcalling aufmerksam, um Bewusstsein zu schaffen und Veränderungen zu bewirken.
Catcalling in Wilhelmshaven
In Wilhelmshaven können Betroffene ihre erlebten Geschichten teilen und so die Missstände sichtbar machen:
Die Catcalls können an das Gleichstellungsbüro können entweder per eMail unter keinkompliment@wilhelmshaven.de oder per Brief gemeldet werden. Diese werden dann am nächsten Bundesweiten Aktionstag im Juni mit Kreide auf Straßen und Plätzen im Stadtgebiet angekreidet.
Weitere Informationen:
- Studie zur Wahrnehmung und Haltung zu Sexismus des BMFSFJ
- Die Schüler*innen Arbeitsgemeinschaft „Sozial engagiert" des Neuen Gymnasiums Wilhelmshaven hat sich des Themas Catcalling angenommen und u. a. eine Umfrage in der Nordseepasse in Wilhelmshaven durchgeführt
Stadt Wilhelmshaven
Gleichstellungsbeauftragte
Nicole Biela
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